Schule, Meeting, Wartezimmer: Neue Anwendung errechnet das Corona-Risiko in Innenräumen

Mit speziellen UV-Lampen werden Aerosole in Veranstaltungsräumen wie in einem Kinosaal sichtbar gemacht.

Mit speziellen UV-Lampen werden Aerosole in Veranstaltungsräumen wie in einem Kinosaal sichtbar gemacht.

Göttingen. Ob geschäftliches Meeting, Seminar oder Klassenzimmer: Das Risiko von Corona-Infektionen beim Zusammentreffen mehrerer Menschen erscheint derzeit so groß wie nie zuvor. Restaurants werden daher wieder geschlossen, Theater, Opern und Kinos bleiben ab Montag zu. Unternehmen sind angehalten, ihre Mitarbeiter zurück ins Homeoffice zu schicken. Doch nicht immer lassen sich Zusammenkünfte vermeiden und auch, wenn es nach dem Teil-Lockdown wieder zu Öffnungen kommt, ist es gut zu wissen, wie groß die Ansteckungsgefahr in bestimmten Situationen ist. Eine neue App namens „Heads“ soll es den Organisatoren künftig erleichtern, die Ansteckungsgefahr besser abschätzen und entsprechend disponieren zu können. Auch im Schulunterricht oder in Wartezimmern liefert „Heads“ wertvolle Informationen.

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Ausstoß von Aerosolen schon vorab berechnen

„Heads“ steht für „Human Emission of Aerosol and Droplet Statistics“. Gemeint ist hier die (Voraus-)Berechnung des menschlichen Ausstoßes von Aerosolen und Tröpfchen. Eberhard Bodenschatz, Direktor des Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation, Forschungsgruppenleiter Mohsen Bagheri und Simone Scheithauer, Leiterin des Instituts für Infektiologie an der Universitätsmedizin Göttingen, kam die Idee zur App bei der Erforschung von Aerosolen: „Das sind winzige Tröpfchen, die beim Atmen, Sprechen oder Singen entstehen, aufgrund ihrer geringen Größe rasch trocknen und daher – anders als größere Speicheltropfen – oft stundenlang in der Umgebungsluft schweben“, erklärt Eberhard Bodenschatz. „Je länger sich eine Person in einem Raum aufhält, desto größer wird der Anteil der von ihr abgegebenen, möglicherweise infektiösen Aerosolmenge in der Atemluft.“

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Corona: Neue Erkenntnisse zur Ansteckung durch Aerosole

Japanische Forscher haben mithilfe eines Supercomputers simuliert, wie sich Aerosole in geschlossenen Innenräumen ausbreiten.

Aerosole: Atmet oder schreit die Person?

So wie das Team um Eberhard Bodenschatz gehen auch zahlreiche andere Wissenschaftler inzwischen davon aus, dass Aerosole in geschlossenen Räumen zu den Hauptrisiken für eine Ansteckung mit dem Coronavirus zählen. Dabei hat bislang kaum jemand die unterschiedlichen Varianten menschlicher Aerosole so gründlich erforscht wie das Göttinger Institut: „Viele Faktoren spielen bei der Menge der Aerosole eine Rolle, darunter etwa das Alter oder das Geschlecht der jeweiligen Person“, erläutert der Physiker, „aber vor allem kommt es darauf an, ob die Person einfach nur atmet oder auch spricht, singt oder gar schreit. Und natürlich, ob sie dabei eine Mund- und Nasenbedeckung trägt, wie diese beschaffen ist und ob sie dicht am Gesicht anliegt.“

Analyse ergibt sich aus verschiedensten Details

Solche und weitere Parameter wie zum Beispiel Fläche, Höhe und Belüftung des jeweiligen Raumes, die Anzahl der sich darin befindenden Menschen sowie deren Aufenthaltsdauer dienen der neuen Corona-App „Heads“ zur Berechnung des Infektionsrisikos bei geplanten Zusammenkünften jeder Größe. Die Oberfläche der App teilt sich dabei in zwei Bereiche: Dateneingabe und Analyse.

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Obwohl die webbasierte App zunächst nur in englischer Sprache zur Verfügung steht, sind alle Eingabeoptionen übersichtlich angeordnet und leicht verständlich. So kann das Alter der erwarteten Teilnehmer in Zehnerschritten angegeben werden. Das Spektrum ihres Verhaltens umfasst ebenfalls differenzierte Angaben wie „normales Sprechen“ oder „Vortrag“ bis hin zum geschätzten Anteil von gelegentlichem Husten im Saal.

Die neue Corona-Warn-App „Heads“ zeigt die Infektionsgefahr in Innenräumen in einer detaillierten Grafik.

Die neue Corona-Warn-App „Heads“ zeigt die Infektionsgefahr in Innenräumen in einer detaillierten Grafik.

Beschaffenheit der Masken kann Infektionsrisiko minimieren

Besonders umfangreich ist die Auswahl der Masken, die von den Veranstaltungsteilnehmern genutzt werden: Von der einfachen Alltagsmaske in verschiedenen Filterqualitäten bis hin zur medizinischen FFP2-Maske sind hierbei mehr als ein Dutzend verschiedene Angaben möglich. „Die Beschaffenheit der Masken, aber auch deren Leckage am Gesicht sind wichtige Kriterien, wenn es darum geht, das Ansteckungsrisiko zu berechnen“, betont Bodenschatz. „Ohne jeden Mund- und Nasenschutz würde ein mit Corona infizierter Teilnehmer rund hundert Millionen Viren pro Milliliter Atemflüssigkeit ausstoßen, die sich auf die ultrakleinen Aerosolpartikel im Raum verteilen. Eine dicht sitzende Alltagsmaske kann diese Menge grob geschätzt zwischen 10 und 30 Prozent reduzieren, eine medizinische FFP2-Maske weit über 90 Prozent.“

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Kinder und Profisänger als Probanden: Daten werden weiter gefüttert

Den Prognosen der Web-App liegen umfangreiche Datenerhebungen zugrunde, die überwiegend bei einer experimentellen Studie des Göttinger Instituts gewonnen wurden. Mehr als 120 Personen im Alter von fünf bis 80 Jahren standen dafür in den letzten Monaten als Probanden zur Verfügung. Gemessen wurden Atemvolumen und Emissionen in unterschiedlicher Dynamik – vom stillen Atmen bis zu „Tor!“-Rufen wie im Fußballstadion. Sogar Profisänger der niedersächsischen Staatsoper in Hannover waren unter den Testpersonen.

„Derzeit laufen noch Versuche mit Kindern, die wichtige Erkenntnisse bei der Aerosolentwicklung in Kitas und Schulen liefern sollen“, berichtet Forschungsgruppenleiter Bagheri. Die Web-App „Heads“ wird laufend mit neuen Daten gefüttert, um bei der individuellen Planung von Raumnutzungen noch genauere Vorhersagen treffen zu können.

Mit wenigen Klicks wird die Risikobewertung berechnet

Alle in die Checkboxen eingegebenen Faktoren werden in einer detailreichen Grafik abgebildet und können jederzeit aktualisiert und angepasst werden. Mit einem weiteren Klick öffnet sich schließlich das Fenster mit der aus den vorgegebenen Parametern errechneten Risikoprognose. Liegt das Infektionsrisiko der Zusammenkunft über dem im Alltag üblichen Niveau, kann die Planung noch einmal überdacht werden. Damit eignet sich die App nicht nur für private und kommerzielle Veranstaltungen, sondern auch für die dafür zuständigen Genehmigungsbehörden vor Ort.

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Die Web-App „Heads“ soll Ende der kommenden Woche unter https://aerosol.ds.mpg.de vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation in Zusammenarbeit mit der Universitätsmedizin Göttingen freigeschaltet und dauerhaft zur kostenlosen Nutzung angeboten werden.


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