Barrierefrei ballern: Inklusion bei Computerspielen

Bisher ging es beim Gaming vor allem um eines: gewinnen. Das ändert sich gerade.

Bisher ging es beim Gaming vor allem um eines: gewinnen. Das ändert sich gerade.

„Wenn du ‚Psychonauts 2‘ im Unsterblichmodus durchspielst, hast du trotzdem gewonnen.“ Dieser Tweet des Spielestudios Double Fine schlug Wellen, als er vor einigen Wochen abgesetzt wurde. Double Fine ist nicht irgendwer. Erstens genießt der Entwickler Kultstatus bei vielen Fans, zweitens gehört das Studio inzwischen zum Branchengiganten Microsoft.

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Viele in der Branche hören stets gut hin, wenn Signale aus dieser Richtung kommen. Und die Signale zeigten deutlich, fast kämpferisch, in eine neue Richtung. Ganz explizit „zu deinen Bedingungen“ sollten die persönlich angesprochenen Spieler das neue Spiel erleben. Als wäre das noch nicht genug, witzelte das Studio noch über jene, die sich abfällig über leichtere Schwierigkeitsgrade äußern: „Ihr seid soooo cool“ – dazu ein umgedrehter Smiley.

Heutzutage gibt es in weiten Teilen der Branche ein Bewusstsein, dass verschiedene Menschen unterschiedlich spielen. Die Vorlieben, die Möglichkeiten und die Voraussetzungen können weit auseinander liegen. Wer sich als Spielemacher darauf nicht einstellt, der verprellt einen Teil des Publikums.

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Jahrelange Lobbyarbeit

Ein wichtiger Teil des Spielepublikums sind Menschen mit Behinderungen. Hier hat die Lobbyarbeit für bessere Einstellungsmöglichkeiten Tradition. In Deutschland bekannt ist etwa Melanie Eilert, die auch über ihr Leben mit Behinderung schreibt. Sie bestätigt auf Anfrage „ganz klar“ den Trend zur Barrierefreiheit in Spielen und überhaupt „mehr Bewusstsein dafür, dass es Barrieren in Spielen geben kann“.

Eilert beschreibt: „Immer mehr Entwickelnde wollen ihre Spiele möglichst vielen Menschen zugänglich machen.“ Sie denkt dabei etwa an „The Last of Us 2″ von Sony. Im Vorfeld der Veröffentlichung wurde das ultraharte Actionspiel mit „über 60 Barrierefreiheitseinstellungen“ beworben. Kleinteilig konnte man die Spielwelt in Signalfarben leuchten oder sich Bildinhalte vorlesen lassen und gezielt Schwierigkeiten ausschalten. Mussten Gamer etwa in der Grundeinstellung auf einen Knopf hämmern oder komplexe Kombinationen drücken, reichte jetzt ein einfacher Knopfdruck. Praktisch jede Hürde ließ sich tiefer legen oder rausnehmen.

In der Branche kam das gut an. „Sie haben einen großartigen Job gemacht“, urteilte etwa Nate Fox vom Spielestudio Sucker Punch, das ebenfalls für Sony arbeitet. Er fand die Vorlage „inspirierend“ und hat sich für seinen hauseigenen Blockbuster „Ghost of Tsushima“ ebenfalls um möglichst breite Einstellungsmöglichkeiten bemüht. Dabei geht es nicht nur um Menschen mit Behinderungen, stellte er gegenüber der Plattform für Barrierefreiheit, caniplaythat.com, klar. Ihm gehe es einfach darum, dass so viele Menschen wie möglich seinen Titel „bequem“ spielen könnten.

Zwar bot sein düsteres Samuraiabenteuer schon zum Verkaufsstart verschiedene Schwierigkeitsgrade, aber einigen war es immer noch zu schwierig – und anderen zu einfach. „Also haben wir ein Update herausgebracht, mit dem sich das Spiel tödlich schwierig oder noch einfacher einstellen lässt“, so Fox.

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Szenen auch in Zeitlupe spielen

Die Frage nach der passenden Schwierigkeit bleibt schwierig. Maddy Thorson hat 2018 den legendär anspruchsvollen Plattformer „Celeste“ veröffentlicht und dem Indiespiel voller frickeliger Sprungherausforderungen etwas Unerwartetes an die Seite gestellt: Im „Assist mode“ wird die Heldin wahlweise unsterblich, kann weiter springen – oder sie erlebt alles in Zeitlupe.

Thorson baute den Modus explizit als Einladung für Menschen mit verschiedenen Fähigkeiten und will niemanden ausschließen: „Ohne die Spieler ist das Spiel nur eine Ansammlung von Einsen und Nullen auf einer Festplatte. Erst durch das Spielen wird es lebendig.“ Thorson sagt aber auch: „Die Herausforderung ist für Celeste essenziell wichtig.“ Sie ist das eigentliche Thema, denn in dem Spiel geht es um eine Bergbesteigung.

Das nächste Update kommt

Die Herausforderung liegt darin, die neuen Wege auszubauen. Einen großen Schritt ist die Spielefirma EA gegangen. Vor wenigen Wochen hat der Konzern seine Patente rund um Barrierefreiheit zur allgemeinen Verwendung freigegeben. Das ist ein ungewöhnlicher Vorgang, den EAs Executive Vice President for Positive Play, Chris Bruzzo, damit erklärt, dass dann „noch mehr Spieler mitmachen können“. Er hofft darauf, dass „andere Entwickler dasselbe machen“. Neue Spielerschichten zu erschließen lohnt sich für die ganze Branche.

Dass allein der Wille zu einem für alle zugänglichen Spiel nicht ausreicht, musste zuletzt auch Double Fine erleben. „Psychonauts 2″ macht seinen Helden zwar wahlweise unsterblich und die Gegner schwächer, aber die Orientierung in der psychedelischen Welt könnte besser sein und die Untertitel geben nicht alles Wichtige wieder, wie etwa der hörbehinderte Fachjournalist Ben Bayliss monierte.

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Solche Probleme lassen sich lösen, das nächste Update kommt bestimmt. Immerhin ist ein neues Bewusstsein in der Branche eingekehrt. Jetzt müssen sich Standards entwickeln. Dann könnte es bald ganz normal sein, dass ein Spiel für alle Menschen spielbar ist.

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