E3 2019: Das größte Spiele-Event der Welt schrumpft

Sony bleibt in diesem Jahr der E3 fern.

Sony bleibt in diesem Jahr der E3 fern.

Los Angeles. Es ist ein althergebrachten Ritual: Die internationale Spieleindustrie kommt im Los Angeles Convention Center zusammen und zeigt die Neuheiten der Saison. Hier werden die Spiele vorgestellt, die in diesem Jahr und in der näheren Zukunft eine Rolle spielen sollen. Hier werden neue Spielkonsolen enthüllt.

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Das Ritual ist über zwanzig Jahre alt, eine Ewigkeit in der Spieleindustrie. Und es ist umstritten. Auf den zweiten Blick fehlen einige der wichtigsten Unternehmen der Spielebranche. Microsoft kommt, als sei nichts geschehen und wird Details seiner nächsten Konsole enthüllen. Aber Konkurrent Sony? Der japanische Spielegigant entwickelt zwar eine neue Playstation, aber die wird auf der E3 keine Rolle spielen. Sony kommt nicht zur Messe.

Wer die Neuigkeiten sehen will, schaut sich den Livestream an

Die Begründung des Konzerns klingt wie ein Abgesang auf ein überholtes Format: „Wir reden schon im Februar mit Spiele-Entwicklern und mit dem Einzelhandel“, hat Shawn Layden, Kopf der Sony-Spielestudios der Webseite Gamespot erklärt. „Für den Handel ist Juni zu spät, um das Weihnachtsgeschäft zu planen.“ Und auch die Presse brauche in Zeiten des Immer-Online-Journalismus kein Event wie die E3 mehr. Wer alle Neuigkeiten sehen will, der bleibt am besten daheim und schaut die Pressekonferenzen als Videostream.

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Nicht nur Sony schwänzt die Messe. Auch große Firmen wie Activision sparen sich einen größeren Messeauftritt. Und Electronic Arts fährt nur eine Sparversion, mit einer Handvoll Präsentationen, ohne eigenen Messestand. Anders herum macht es Spielefirma Nintendo, die schon 2013 ihre große E3-Konferenz abgeschafft haben, um eine aufgezeichnete Präsentation einfach als Videostream auf Youtube auszustrahlen. Dazu gibt es immerhin einen E3-Messestand, von dem der Konzern ebenfalls ins Internet überträgt. Um mit den Fans zu reden, braucht es da keine Journalisten mehr.

Fortnite passt auf keine Bühne

Die E3 bleibt eine Institution, aber in den Jahrzehnten seit ihrem Start 1995 hat sich viel geändert. Damals kontrollierten wenige, große Firmen eine überschaubare Zahl von Plattformen. Konzerne wie Nintendo setzten die Schlagzeilen; und sie bestimmten, was sich Kinder in diesem Jahr zu Weihnachten wünschten. Heute spielen die Kinder „Fortnite“ – das müssen sie nicht kaufen, das wird gratis heruntergeladen, läuft auch auf Handys. Für solche Spiele ist die E3 eigentlich ungeeignet. Sie starten eher als kleine Versuchsballons, werden einfach veröffentlicht, und erst wenn sie abheben, dann investieren Spielefirmen in das laufende Projekt. Wann also soll sich ein Firmenchef auf eine große Bühne stellen und das Spiel ankündigen?

Einige der wichtigsten Spieletrends passen nicht zur E3. Google will einen Dienst namens Stadia einführen, der Spiele aus dem Internet streamt, ohne Wartezeiten für Downloads. Der Konzern hielt dazu zwar eine Präsentation auf Youtube, aber schon am Donnerstag und ohne offiziellen Bezug zur Messe. Auch Sonys Hoffnungsträger der Saison, der opulente Kunsttitel "Death Stranding", wurde einfach letzte Woche herumgezeigt. Ein neunminütiges Video reichte. Statt ein brav klatschendes Publikum in eine Halle zu setzen, konnte Sony sich des Jubels in den sozialen Netzwerken sicher sein.

Microsoft nutzt die Lücke

Auch das Zukunftsfeld Virtual Reality, das kommerzielle Schwergewicht Smartphone, sie alle treten nur am Rande auf. Die E3 ist eine Messe für Blockbuster – für Spielekonsolen, die im Wohnzimmer stehen und für die großen, teuer produzierten Spiel, die darauf laufen. Der Bedeutungsverlust dieser Kisten ist auch ein Bedeutungsverlust der Messe.

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Untergehen wird die E3 aber nicht so schnell. Der Vertrag mit dem Convention Center wurde bis 2023 verlängert. Microsoft begreift Sonys Aussetzer offenbar als Chance und wird seine wichtigste Pressekonferenz seit Jahren halten. Nicht nur die neue Xbox soll ein Thema sein, auch 14 Spiele werden präsentiert, der neue Spiele-Streaming-Dienst xCloud und ein neuer Push, um den PC als Spieleplattform zu Microsofts Gunsten zu stärken.

Lohnen sich die Kosten?

Wo immer ein Platz im dichten Programm der Pressekonferenzen frei wird, stoßen andere Unternehmen in die Lücke. Das traditionsreiche Spieleunternehmen Ubisoft bringt mehrere Titel mit, darunter voraussichtlich auch echte Neuheiten, wie eine Fortsetzung der Hacker-Serie „Watch Dogs“ und einen Funsport-Titel auf Rollschuhen. Square Enix verrät wahrscheinlich, was aus dem Remake des Klassikers „Final Fantasy 7“ geworden ist und bringt ein ambitioniertes Spiel zu den „Marvel Avengers“ mit. Ältere Computerspieler fiebern einer Fortsetzung der legendären Rollenspiel-Serie „Baldur’s Gate“ entgegen.

Den Kampf um Aufmerksamkeit muss die E3 nicht allein bestreiten. Auch andere Messen bekommen Probleme, wenn die Konzerne lieber ihre eigenen Fan-Events veranstalten und neue Spiele online präsentieren. Die Gamescom, immerhin die größte Publikumsmesse der Welt, muss dieses Jahr auf den raumgreifenden Stammgast Blizzard verzichten. Menschen kommen sicher genug nach Köln; trotzdem müssen Spielefirmen zweimal nachrechnen, ob sich die immensen Kosten für repräsentative Messestände lohnen.

Neue Events, viel Konkurrenz

Dazu schießen immer neue Events aus dem Boden. Allein in Deutschland haben Fans jetzt auch die Wahl, ob sie neben der Gamescom vielleicht die Comic Con, die EGX Berlin, oder die Berlin Games Week besuchen. Solche Ereignisse funktionieren, um den Fans einen Ort zu geben, an dem sie sich treffen, spielen und feiern. Für große Spielefirmen sind solche Veranstaltungen interessant, aber Neuigkeiten müssen sie kaum mitbringen. Eigentlich reicht ein Verkaufsstand für T-Shirts.

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Abgeschafft ist die E3 noch lange nicht, aber ihre Zukunft bleibt ungewiss. Wenn sich also am 9. Juni um 22 Uhr deutscher Ortszeit der Vorhang hebt und Microsofts Xbox-Chef Phil Spencer sein unverwüstliches Grinsen aufsetzt, dann lohnt es sich für Spieler, einzuschalten – der alten Zeiten wegen. Wer weiß, wie oft es das noch gibt.

Von Jan Bojaryn/RND

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