Gaming im Garten: Was den eigenen Bauernhof in Spielen so beliebt macht
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Pixelgarten.
© Quelle: Gina Patan/RND
Videospiele bringen Freude auf Knopfdruck. Gamer drücken auf X, die Flinte kracht, das Blut spritzt. So läuft das in vielen Spielen. In einigen aber ist es anders. Da passiert zuerst wenig, und statt der Schusswaffe kommt eine Gießkanne zum Einsatz. Der Augenblick der Freude kommt erst am nächsten Spieltag, nach dem Aufstehen: Die Gurken sind reif!
Das neue Spiel „Story of Seasons: Pioneers of Olive Town“ konzentriert sich auf solche Glücksmomente. Bis auf ein paar freche Maulwürfe gibt es keine Bösewichte. Das Abenteuer handelt vom Landleben. Die Heldin oder der Held ist nach Olivingen gezogen, übernimmt Opas Hof und betreibt Ackerbau und Viehzucht. Besonders beliebt sind die knuffigen Nutztiere. Zuerst wollen nur Hühner gefüttert und gestreichelt werden, später auch Kühe, Schafe und Alpakas.
Anfangs fanden viele Spiele wie „Farmville“ exotisch
Für viele Menschen wirkt der Titel neu und ungewohnt. Doch er setzt eine 25 Jahre alte Serie aus Japan fort. Dort ist sie bekannter als hier, aber Gartenhypes gab es auch bei uns schon. 2009 wurde „Farmville“ zum Phänomen. Viele sahen es als einen Exoten. Noch vergangenes Jahr erklärte die britische Zeitung „The Guardian“, das Facebook-Spiel sei nichts für „pickelige Teenager“, denn hier werde niemand „von Robotern zerstört“. Solche Sprüche treffen weder das Publikum noch seinen Geschmack.
Erstens sind Spieler etwa in Deutschland laut GfK-Marktforschung im Schnitt 37,5 Jahre alt und zu 48 Prozent weiblich. Zweitens haben Kinder und Jugendliche verschiedene Interessen – Killerroboter sind populär, Landidyllen aber auch. „Farmville“ ist zwar bei vielen Spielefans verpönt, aber das liegt eher an der Umsetzung als am Thema.
Um Landflucht und Ackerbau geht es auch in dem 2016 erschienenen „Stardew Valley“. Der Titel wird seit Jahren in der Szene gefeiert und wurde inzwischen in mehr als zehn Millionen Kopien verkauft. 2020 schwang sich „Animal Crossing: New Horizons“ zum globalen Phänomen auf. In dem zuckersüßen Garten- und Urlaubsressort pflegen Leute ihre Urlaubsinsel, rupfen Unkraut und freunden sich mit den tierischen Nachbarn an. In Deutschland war „Animal Crossing“ das am zweitbesten verkaufte Spiel des Jahres, gleich hinter dem Dauerbrenner „FIFA“.
Immer mehr Spiele entdecken den Garten. Selbst der neue Wikingerhit „Valheim“ ist nicht nur wegen der Kämpfe gegen mystische Wesen ein Erfolg – auch Wildschweinzucht und Karottenernte werden heiß diskutiert. Und Spiele wie „Story of Seasons“ sind kein Nischenvergnügen mehr, sondern verkaufen sich kurz nach der Veröffentlichung rund 700.000-mal.
Ist die digitale Landlust eine Folge der Corona-Pandemie?
Woher kommt die digitale Landlust? Beliebt ist die Theorie, Corona wäre schuld. Tatsächlich haben Spiele 2020 einen Umsatzsprung gemacht, der Markt in Deutschland ist um 32 Prozent gewachsen. Doch das Phänomen wurde nur angeheizt, existiert hat es offensichtlich schon vorher. „Stardew Valley“ etwa hat seinen Verkaufsrekord kurz vor Ausbruch der Pandemie aufgestellt, „Farmville“ wurde bereits 2010 von mehr als 83 Millionen Menschen gespielt.
Gaming im Garten: Die Früchte ehrlicher Arbeit ernten
Das Geheimnis hinter dem Genre erschließt sich beim Spielen: in einer schönen Welt leben, etwas aufbauen, Freundschaften schließen und die Früchte ehrlicher Arbeit ernten. Das ist nicht besonders aufregend, macht aber gute Laune.
Spiele wie „Animal Crossing“ und „Story of Seasons“ inszenieren heile Welten, in denen abseits der hektischen Stadt ein einfaches Leben mit klaren Erfolgsaussichten wartet. Freundschaften, Tiere, Ernte und Verdienst mögen rein virtuell sein, aber sie werden hart erarbeitet und fühlen sich deswegen echter an.
Das Publikum findet in diesen Spielen Freiheitsgefühle und Entspannung, aber auch Hindernisse. Berüchtigt ist in der Beziehung der „Landwirtschaftssimulator“. Das Spiel inszeniert Ackerbau als einen bierernsten Job und kommt in Deutschland sehr gut an. Auch eingefleischte Gamer müssen lernen, wenn sie das erste Mal am Steuer des Traktors sitzen. Der Landwirtschaftssimulator zieht laut Entwickler besonders Menschen an, die gern ohne Zwänge spielen, und Entspannung suchen, statt gewinnen zu wollen.
Mit Faulenzen haben diese Spiele aber nichts am Hut. Die Insel in „Animal Crossing“ sieht erst schön aus, wenn Unkraut gerupft, Wege angelegt und Blumenhecken gepflanzt sind. In Olivingen wachsen die Gurken nur auf einem gut bestellten Acker. Die Helden haben in solchen Spielen oft begrenzte Energie für ihr Tagewerk, außerdem tickt unbarmherzig die Uhr. Die Herausforderung liegt nicht in schnellen Reflexen, sondern in der Durchführung eines guten Plans.
Gute Arbeit macht in dieser Welt glücklich. Allerdings liefern solche Lebenssimulationen mehr als nur einen Ersatz für trostlose Wirklichkeiten. Gelegentlich fühlen sie sich wie ein Trainingswerkzeug an. Wer jeden Tag die virtuellen Gurken gießt, der denkt vielleicht auch an die braune Zimmerpflanze auf der echten Fensterbank