Das sagt der Dienstleister

Abipanne in NRW: Wie konnte das passieren?

Bildungsministerin Karin Prien stellte vor, wie sie sich die Durchführungen der Abschlussprüfungen vorstellt.

Wegen eines technischen Fehlers mussten die Abiprüfungen am Mittwoch ausfallen.

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Hannover. Schlimmer geht’s nicht: Für das Schulministerium, für die Schulen, für die Lehrkräfte – allen voran aber für die Schülerinnen und Schüler in Nordrhein-Westfalen. Die Abiturprüfungen, auf die sich Tausende junge Menschen in wochenlanger Vorbereitung eingestellt hatten, fanden am Mittwoch entgegen aller Erwartungen doch nicht statt. Der Grund: eine technische Panne.

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Was war passiert? Über ein Downloadportal hätten die Lehrkräfte die Aufgaben für die Prüfungen in den Fächern Biologie, Physik, Chemie, Informatik, Technik und Ernährungslehre herunterladen sollen. Der Download allerdings funktionierte nicht oder nur fehlerhaft, wie schon am Dienstag aus den Schulen zu hören war. Das Problem konnte nicht behoben werden – die Abiturprüfungen wurden kurzfristig auf den Freitag verschoben.

NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) blieb am Mittwoch nichts anderes, als um Entschuldigung zu bitten. Das hätte nie passieren dürfen, so die Ministerin auf einer Pressekonferenz vor Journalistinnen und Journalisten. Der Vorfall sei „ärgerlich“ und sie könne es nachvollziehen, wenn die Abiturientinnen und Abiturienten „so richtig sauer auf uns sind. Und ehrlich gesagt, ich bin auch auf uns selbst, sehr, sehr sauer“, so Feller in einem Video auf Twitter und Instagram.

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Völlig offen ließen die Ministerin und die Schulbehörde bislang jedoch, wie es zu der Panne kommen konnte. Wie also ist der technische Fehler zu erklären?

Downloadplattform für zentrale Prüfungen

Geht es nach Feller, dann ist für den Fehler ein „externer Dienstleister“ verantwortlich. Es gebe eine Onlineplattform, auf der die Abiturprüfungen seit 2018 zur Verfügung gestellt würden. Die Schulen sollen die Aufgaben einen Tag vor der schriftlichen Prüfung herunterladen können – sofern es denn funktioniert. Der Dienstleister habe das Ministerium am Dienstag um 14.10 Uhr über die technischen Probleme informiert, so Feller.

Bei der Downloadplattform handelt es sich allem Anschein nach um eine Website der sogenannten QUA-LiS, die Qualitäts- und Unterstützungsagentur. Die zum Schulministerium NRW gehörende Behörde mit Sitz in nordrhein-westfälischen Soest erstellt jährlich rund 1200 Aufgaben für zentrale Klausuren in Nordrhein-Westfalen, darunter auch die für das Zentralabitur. Anderthalb Jahre dauert es, bis diese fertig sind, berichtete die „Neue Westfälische“ vor einigen Jahren – für jedes Schulfach erarbeitet die Behörde demnach mehrere Klausurversionen, etwa für Nachschreiber.

All das geschieht in höchster Geheimhaltung. An allen Entwicklungsschritten seien ausschließlich Personen beteiligt, die keine Schülerinnen, Schüler, Kinder oder Verwandte zweiten Grades im Abitur haben. Nach der Entwicklung folgt ein Praxischeck, in dem ausgewählte Lehrerinnen und Lehrer die Klausuren schreiben. Anschließend würden die Klausuren noch mal auf Plausibilität und Fehler geprüft. Im letzten Schritt müssen die schulfachlichen Dezernentinnen und Dezernenten der Bezirksregierung noch ihre Zustimmung zu den erarbeiteten Aufgaben geben.

Offenbar weil der gesamte Prozess hoher Geheimhaltung unterliegt, werden die Abiklausuren am Prüfungstag auch nicht einfach per E-Mail verschickt, sondern über einen geschützten Bereich, auf den Lehrkräfte mit Nutzername und Passwort Zugriff haben. Hier können dann am Vortag der Prüfungen die Dokumente heruntergeladen werden – sofern es denn funktioniert. Eine Anfrage des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) beantwortete QUA-LiS nicht. Stattdessen verwies die Behörde an das NRW-Schulministerium, das eine Anfrage jedoch ebenfalls unbeantwortet ließ.

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IT-Firma führte Tests durch

Nach Informationen des RND ist für die technischen Abläufe der Plattform das IT-Unternehmen Gonicus im sauerländischen Arnsberg zuständig. Dessen Geschäftsführer Rainer Luelsdorf bestätigte auf Anfrage, das Unternehmen arbeite bereits seit dem Jahr 2007 mit dem NRW-Schulministerium zusammen und betreibe seit 2019 auch die technische Infrastruktur, über die jährlich „mehrere Gigabyte an Daten für den schulischen Unterricht ausgetauscht werden“ – dazu gehörten auch die Aufgaben für das Zentralabitur.

In den vergangenen Jahren, so betont Luelsdorf, seien die Prozesse stets reibungslos verlaufen – die notwendigen Systeme würden schließlich regelmäßig getestet. Auch vor den Abiprüfungen 2023 sei das geschehen. An dem Test waren demnach sowohl das Ministerium als auch rund 400 Schulen beteiligt. „Diese Tests verliefen ohne Probleme, sodass an dem aufgebauten Setup in der Folge keine funktionsrelevanten Änderungen mehr vorgenommen wurden. Ein weiterer interner Test in der Woche vor den Abiturprüfungen (KW 15) verlief ebenfalls problemlos.“

Am Dienstag dann allerdings seien unverhofft Probleme aufgetreten. Umgehend sei ein internes Team von Expertinnen und Experten mit der Problemanalyse beauftragt worden, erklärt Luelsdorf. „Bei den hinzugezogenen Mitarbeiter:innen handelt es sich um die Spezialist:innen, die von Beginn an in das Projekt involviert sind, die Systemarchitektur aufgebaut und die Software programmiert haben. Im Zuge der Fehlersuche stellte sich heraus, dass für einen Teil der Schulen ein Download der Prüfungen nicht möglich war, was wir sehr bedauern – besonders für die hiervon betroffenen Schüler:innen und Lehrer:innen“, heißt es von Gonicus.

Dienstleister hält sich bedeckt

Was genau nun allerdings das technische Problem war, lässt auch Geschäftsführer Rainer Luelsdorf offen. Er erklärt jedoch, dass es inzwischen behoben sei. „Unser Team arbeitete durchgehend mit Hochdruck daran, die Ursache des Problems zu identifizieren und zu beheben und stand dabei jederzeit im engen Austausch mit den zuständigen Verantwortlichen. Gegen 1 Uhr nachts konnten die Systeme stabilisiert und die Funktionsfähigkeit wiederhergestellt werden. Seit Mittwoch 10 Uhr können die Prüfungen für Donnerstag ohne Probleme heruntergeladen werden.“

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Nach Angaben von Ministerin Feller habe der technische Dienstleister am Dienstag versucht, die wichtigen Dokumente auf einen anderen Server hochzuladen. Um 18 Uhr sei dann die Nachricht gekommen, dass auch dies nicht möglich sei. Das Ministerium haben dann noch selbst versucht, die Situation mit einem eigenen Server zu retten – auch das sei gescheitert. Am späten Abend sei der Versuch schließlich erfolglos abgebrochen worden, die Prüfungen wurden verschoben.

Technische Panne: Abiklausuren in NRW fallen am Mittwoch aus
17.04.2023, Niedersachsen, Oldenburg: Schüler sitzen vor Beginn der schriftlichen Abiturprüfungen im Fach Geschichte in einem Klassenraum in der Graf-Anton-Günther-Schule (GAG). In Niedersachsen beginnen die Abschlussprüfungen für den Abiturjahrgang 2023. Bis zum 09.05.2023 werden die Klausuren in unterschiedlichen Fächern geschrieben. Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Die für Mittwoch geplanten Abiturklausuren in Nordrhein-Westfalen sind wegen massiver technischer Probleme kurzfristig auf Freitag verschoben worden.

Abipanne in NRW: War eine Videodatei schuld?

Lehrkräfte hatten zwischenzeitlich gegenüber Medien spekuliert, das Problem habe mit einer Videodatei zu tun, die zu einer Klausur gehört habe. Erstmals sollten bei den Prüfungen in den Naturwissenschaften Versuche aufgebaut werden, wie Andreas Tempel, Schulleiter an der Alexander-Coppel-Gesamtschule in Solingen, im Gespräch in der WDR-5-Sendung „Morgenecho“ schilderte. Dafür sollte ein entsprechender Film mitgeliefert werden. Die hohe Datenmenge des Films könnte den Server zum Absturz gebracht haben, vermutet der Schulleiter.

Ministerin Feller glaubt allerdings nicht daran, dass dies das Problem war. Das gesamte Datenpaket, das die Schulen herunterladen mussten, sei lediglich 480 Megabyte groß gewesen. Vielmehr hat Feller die kürzlich eingeführte Zwei-Faktor-Authentifizierung im Verdacht. „Wir prüfen auch einen externen Hackerangriff“, so Feller auf der Pressekonferenz.

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Die für den Mittwoch geplanten Prüfungen sollen nun am Freitag nachgeholt werden. Der Download für die Prüfungen am Donnerstag laufe bislang reibungslos, ist aus den Schulen zu hören. Bisher sieht Ministerin Feller keinen Anlass, neue Aufgaben zu stellen. Wenn sich an dieser Sachlage etwas ändern sollte und doch schon Aufgaben unter Schülerinnen und Schülern bekannt sein sollten, gebe es bereits fertige, alternative Aufgaben.

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