Ständig Lampenfieber? So prägen Schul-Erlebnisse unser Berufsleben
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Im Sportunterricht im zuletzt ins Team gewählt worden? In manchen Fällen können sich solche Ereignisse auch später noch auf das Verhalten im Job auswirken.
© Quelle: Mascha Brichta/dpa-tmn
Hannover/Hamburg.Hand aufs Herz: An was denken Sie, wenn Sie an Ihre Schulzeit denken? An tolle Noten und verständnisvolle Lehrkräfte? Oder eher an peinliche Momente, bissige Kommentare oder einsame Pausen auf dem Schulhof?
„Viele von uns haben solche Erfahrungen gemacht“, sagt die Sozialpsychologin Mira Mühlenhof aus Hannover. In ihrem Buch („Lass die Schatten der Schulzeit hinter dir“) will sie zeigen, wie sich das Leben verbessert, wenn man sein „Schultrauma“ erkennt und loslässt.
Kindheitserlebnis als Ursache für Lampenfieber
Bei manchen reichen die Folgen bestimmter Erlebnisse aus der Schulzeit oft unbewusst bis ins Erwachsenenalter. „Sie können Ursache für Blockaden oder Probleme wie Lampenfieber, Präsentationsangst oder Minderwertigkeitsgefühle sein“, sagt Mühlenhof.
Manchmal genügt dafür schon eine einzige Situation. Etwa der Klassiker, dass man an die Tafel zitiert wurde, einen Blackout hatte und ausgelacht wurde. „Solch eine Situation ist dann stark mit unguten Gefühlen belegt und wird quasi im Körper abgespeichert.“
Reflexion und Akut-Maßnahmen
Die gute Nachricht: Es besteht die Chance, etwas dagegen zu tun. „Ein erster Schritt ist die Reflexion“, sagt Mira Mühlenhof. Also innezuhalten und selbst zu überlegen, worauf aktuelle Probleme zurückzuführen sind.
In ihrem Buch gibt sie zudem Akut-Tipps: Etwa mit anderen über die Erfahrungen zu reden, Orte und Personen zu meiden, die einem nicht gut tun, Routine und Rituale zu entwickeln, die Stärke und Struktur geben. Auch wichtig: die eigenen Grenzen erkennen und Hilfe annehmen.
Negatives verarbeiten, Verstecktes hervorkramen
Dabei muss es jedoch nicht immer ein Gefühl von Hilflosigkeit, Scham oder Angst sein, das Auswirkungen bis ins Berufsleben hat. „Das eine sind die negativen Bewertungen, die unser Denken und Verhalten steuern“, sagt die Hamburger Karriereberaterin und Arbeitspsychologin Ragnhild Struss.
Das andere seien bestimmte Talente, Fähigkeiten und Interessen, die man als Kind hatte – die aber in Vergessenheit geraten sind. Ausgeprägte soziale Fähigkeiten zum Beispiel oder Spontaneität etwa.
„Wer in der Schule erfahren hat, dass es immer 'richtig' und 'falsch' gibt und gerügt wurde, wenn eine Antwort nicht der Vorstellung der Lehrkraft entsprochen hat, wird sich abgewöhnen, spontan und frei zu äußern, was in ihm oder ihr vorgeht“, sagt Struss. Vielleicht habe man deshalb auch als Erwachsener im Job nicht den Mut, im Brainstorming Ideen vorzubringen, die Initiative zu ergreifen oder selbstbewusst seine Meinung zu vertreten.
Übergestülpte Erwartungen: Eigene Stimme wiederfinden
Auch allgemeine Vorurteile und persönliche Zuschreibungen können das Selbstbild prägen und die weitere Entwicklung beeinflussen. Wer „schon immer gut in Mathe“ war, muss natürlich Ingenieurin oder Ingenieur werden, und ein „Arztkind“ natürlich ebenfalls Ärztin oder Arzt.
„Solche frühen Erfahrungen können dazu führen, dass die Zuschreibungen gar nicht mehr hinterfragt werden, sondern man annimmt, was einem übergestülpt wurde“, sagt die Arbeitspsychologin. So verlerne man, auf sich selbst zu hören und der eigenen Stimme zu vertrauen.
Wer Zuschreibungen aus der Schule nicht reflektiert, schränkt sich unter Umständen selbst ein. Man verhält sich so, wie es von einem erwartet wird, „statt Träume zu verfolgen und Pläne zu verwirklichen, zu denen man das Potenzial hätte“.
Auch positive Erfahrungen können prägend sein
In ihren Beratungen versucht Ragnhild Struss, vergessene Ressourcen zu heben und die Klienten zu motivieren, sich an vergangene Stärken und Potenziale zu erinnern. Wichtig ist, sich darüber bewusst zu werden, dass aktuelle Schwierigkeiten nicht für alle Ewigkeiten bleiben müssen. „Man muss sich klarmachen, dass man heute neue Verhaltensmuster ausprobieren kann, weil man erwachsen ist.“
Die Beraterin empfiehlt, den Blick auf das zu lenken, was positiv war: „Es gibt immer den einen Lehrer, die eine Lehrerin, die etwas in einem gesehen hat. Die Bezugsperson, die das Potenzial und die Persönlichkeit erkannt hat, gefördert und ermutigt hat.“ Sicher eine tröstende Erkenntnis: Denn nicht nur negative, auch positive Erfahrungen können prägend für das spätere Berufsleben sein.
RND/dpa