„Studierende stehen vor einer wirklich dramatischen sozialen Notlage“

200 Euro Energiepauschale für Studierende – reicht das aus?

Im Zuge des dritten Entlastungspakets unterstützt die Bundesregierung Studierende an Universitäten und Fachhochschulen mit einer Einmalzahlung von 200 Euro (Archivbild).

Im Zuge des dritten Entlastungspakets unterstützt die Bundesregierung Studierende an Universitäten und Fachhochschulen mit einer Einmalzahlung von 200 Euro (Archivbild).

Denny von Roux spürt es inzwischen bei jedem Supermarktbesuch: Wenn das Toastbrot statt 80 Cent nun 1,30 Euro kostet, macht sich das im Portemonnaie des Soziologiestudenten aus Hannover bemerkbar. „Früher bin ich zweimal die Woche für jeweils 20 Euro einkaufen gegangen. Das ist zurzeit nicht mehr drin.“ Auch in den Urlaub gefahren ist er seit inzwischen zehn Jahren nicht mehr, das Konto ist schon lange Zeit im Minus.

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Vielen Studierenden in Deutschland geht es ähnlich: Die Inflation und die steigenden Energiepreise treffen sie hart. Um sie zu entlasten, hat die Bundesregierung nun eine Einmalzahlung in Höhe von 200 Euro für alle Studentinnen und Studenten sowie Fachhochschülerinnen und Fachhochschüler beschlossen. Die Soforthilfe ist Teil des 65 Milliarden schweren dritten Entlastungspakets, auf das sich die Parteien der Ampelregierung nach langen Verhandlungen am Wochenende geeinigt haben.

Matthias Anbuhl, Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks, begrüßt die Entscheidung des Bundes: „Die Studierenden stehen in diesem Wintersemester vor einer wirklich dramatischen sozialen Notlage. Sie kommen aus der Corona-Pandemie psychisch und auch finanziell auf dem Zahnfleisch und stehen jetzt vor einer Inflation.“ Viele wüssten nicht, wie sie im Winter Strom, Gas und Lebensmittel bezahlen sollen.

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Die Direkthilfe sei laut Anbuhl ein wichtiges Glied in der Kette an Maßnahmen, um die soziale Notlage von Studierenden abzufedern. „Es ist wichtig, dass diese 200 Euro wirklich alle 2,9 Millionen Studierende in Deutschland bekommen, und nicht nur Bafög-Empfängerinnen oder Minijobber. Internationale Studierende sind zum Beispiel nicht Bafög-berechtigt. Da ist eine große Lücke entstanden.“

Viele meiner Kommilitonen haben zwei oder drei Jobs, um über die Runden zu kommen. Sich daneben noch auf das Studium zu konzentrieren, ist schwierig.

Denny von Roux

Student aus Hannover

Inflationsausgleich im Bafög verankern

Um Studierende aber langfristig zu entlasten, seien weitere Maßnahmen notwendig: „Wir brauchen eine Erhöhung des Bafög-Bedarfsatzes“, so Anbuhl. Zum Wintersemester erhöhe die Bundesregierung diese zwar um 5,75 Prozent. „Das ist aber schon jetzt von der Inflation aufgefressen worden.“ Zum Sommersemester 2023 werde es darauf ankommen, die Bafög-Sätze der Inflation anzupassen und einen jährlichen Inflationsausgleich im Bafög zu verankern.

Weil die Bafög-Sätze aber seit den 2010er-Jahren jahrelang nicht an die Preis- und Einkommensentwicklung angepasst worden seien, ist der Kreis der Geförderten laut Studentenwerk beim Bafög drastisch gesunken. Nur noch 11 Prozent der Studierenden in Deutschland erhalten die staatliche Unterstützung.

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Das von den Spitzen der Koalition aus SPD, Grünen und FDP vereinbarte dritte Entlastungspaket soll Maßnahmen im Volumen von über 65 Milliarden Euro umfassen.

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Denny von Roux gehört nicht dazu. Der 35-Jährige studiert nach einer Ausbildung im zweiten Mastersemester – für Bafög ist er zu alt. Um sich seine Wohnung, für die er knapp 400 Euro zahlt, leisten zu können, arbeitet er nebenher. In seinem Job in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Asta der Universität Hannover verdient er rund 1000 Euro im Monat. Davon baut er auch seinen Schuldenberg ab. „Viele meiner Kommilitonen haben zwei oder drei Jobs, um über die Runden zu kommen. Sich daneben noch auf das Studium zu konzentrieren, ist schwierig.“

Um kurzfristige finanzielle Engpässe zu überbrücken, haben Studierende der Universität Hannover die Möglichkeit, sich einmalig 450 Euro vom Asta zu leihen. Die Nachfrage nach dem zinslosen Darlehen steige aktuell rapide, so von Roux. „In der Darlehensstelle brennt es. Die sind seit Wochen schwer beschäftigt.“

Soforthilfe müsse nun rasch ausgezahlt werden

Der Soforthilfe in Höhe von 200 Euro steht der Student mit Skepsis gegenüber. „Das hilft einen Monat, wenn‘s hochkommt. Das Problem ist ja aber, dass die Energie- und Lebensmittelpreise stetig und über Monate steigen werden. Meine Waschmaschine darf jetzt nicht kaputt gehen.“

Die Energiepauschale müsse nun möglichst rasch auf den Konten der Studierenden ankommen, fordert auch Matthias Anbuhl. „Der Heizkostenzuschuss für die Bafög-Empfängerinnen und Empfänger wurde im April beschlossen und teilweise erst im September ausgezahlt. Das sollte bei der Direkthilfe schneller gehen.“

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Zudem fordert Anbuhl die Länder auf, die Studierendenwerke selbst finanziell zu unterstützen, um einen Anstieg der Mieten in den Wohnheimen und der Essenspreise in den Mensen zu begrenzen. „Das Ende der Fahnenstange ist mit der Einmalzahlung definitiv noch längst nicht erreicht.“

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