Studie: Haus kaufen ist oft billiger als mieten – wenn der Zins stimmt
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Bauen, kaufen oder mieten? Was sich lohnt, kommt auf die Zinsen und den Wohnort an.
© Quelle: Julian Stratenschulte/dpa
Frankfurt/Main. Eine Wohnung oder ein Haus zu kaufen ist laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) oft deutlich billiger als zu mieten, gerade bei Neuverträgen. Der starke Anstieg der Kreditzinsen schmälert die Vorteile aber deutlich. Immobilienkäuferinnen und Immobilienkäufer standen gegenüber Mieterinnen und Mietern 2021 in allen deutschen Regionen besser da, zeigt eine am Mittwoch veröffentlichte Analyse des IW, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Doch die Vorteile der Käuferinnen und Käufer schwinden mit dem Zinsanstieg besonders in teuren Städten.
Für die Studie des IW mit der Immobilienfirma Accentro wurden die Kosten von Selbstnutzenden jenen von Mieterinnen und Mietern gegenüber gestellt. Auf Käuferinnen und Käufer entfielen demnach Kaufpreis und Erwerbsnebenkosten wie Grunderwerbsteuer und Notar, die Belastung durch Kreditzinsen sowie entgangene Zinsen – Immobilienkäuferinnen und Immobilienkäufer hätten das Geld für eine Wohnung oder ein Haus ja auch anlegen können. Hier wurde die Rendite erstklassiger Unternehmensanleihen zugrunde gelegt.
Auch Kosten für Instandhaltungen und Wertverzehr wurden einberechnet sowie Wertsteigerungen gedeckelt bei drei Prozent pro Jahr. In den vergangenen Jahren verteuerten sich Immobilien viel schneller, der Boom sollte aber nicht übergewichtet werden. Auf der anderen Seite standen die Nettokaltmieten in Neuverträgen und bei Bestandsmieten.
Kaufende profitierten von fallenden Zinsen
Das Ergebnis: Zahlten Selbstnutzende in Deutschland 2021 – zu den damals sehr niedrigen Kreditzinsen von gut einem Prozent – im Schnitt 4,21 Euro je Quadratmeter, mussten Mieterinnen und Mieter bei Neuvertragsmieten für vergleichbare Wohnungen 10,30 Euro je Quadratmeter hinlegen und bei Bestandsverträgen 7,04 Euro. Käuferinnen und Käufer waren also mit knapp 60 Prozent gegenüber Mietern im Vorteil bzw. 40 Prozent bei Bestandsmieten.
Ein großer Vorsprung ergab sich laut der Studie selbst in den teuren Metropolen. „Die im vergangenen Jahr fallenden Zinsen haben den Anstieg der Kaufpreise überkompensiert“, sagte IW-Immobilienexperte Michael Voigtländer. Auch die Reform zur Teilung der Maklerprovisionen habe Käuferinnen und Käufer entlastet. „Steigende Zinsen werden aber den Selbstnutzerkostenvorteil signifikant verringern.“
Mit der hohen Inflation sind Finanzierungen rasant teurer geworden: Seit Dezember haben sich die Zinsen für zehnjährige Standardkredite laut FMH-Finanzberatung von weniger als ein Prozent auf im Schnitt rund 2,5 Prozent mehr als verdoppelt – Tendenz steigend.
In einigen Landkreisen ist mieten billiger
Das IW hat in drei Szenarien mit einem Anstieg der Bauzinsen auf 2, 2,5 oder 3 Prozent errechnet, ob Immobilienkäuferinnen und Immobilienkäufer dieses Jahr immer noch besser fahren als Mieterinnen und Mieter mit Neuverträgen. So lässt schon ein Zinsniveau von 2,5 Prozent die Kosten von Selbstnutzenden auf mehr als das Doppelte steigen (8,55 Euro). Rechne man steigende Kaufpreise ein, ergeben sich 8,97 Euro je Quadratmeter. Bei drei Prozent Kreditzinsen steigen die Selbstnutzerkosten auf 10,63 Euro. In diesem Szenario sei mieten bereits in 86 der 401 deutschen Landkreise und kreisfreien Städten billiger als kaufen, schreiben die Autorinnen und Autoren.
Besonders im Umland der sieben größten deutschen Städte und dem von anderen Großstädten seien Käuferinnen und Käufer aber auch bei höheren Zinsen im Vorteil. Der „neutrale Zins“ für eine zehnjährige Finanzierung, ab dem die Selbstnutzerkosten den Neuvertragsmieten entsprechen, liege im Umland der Metropolen bei 3,6 Prozent, in übrigen Großstädten bei 3,1 Prozent und in deren Umland bei 3,5 Prozent. Ist der Zins noch höher, sind Mieterinnen und Mieter im Vorteil.
Für die übrigen Kreise kommt das IW auf einen neutralen Zins von 3,7 Prozent. In den sieben Metropolen, darunter Berlin, München und Hamburg, fahren Mieterinnen und Mieter schon ab 2,8 Prozent besser als Käuferinnen und Käufer.
Beides hat Vorteile und Nachteile
Selbstgenutztes Wohneigentum gilt als gute Altersvorsorge. Die Entscheidung zwischen Mieten und Kaufen hängt aber von den jeweiligen Lebensumständen ab, etwa ob häufige berufliche Umzüge nötig sind. Und während manche Menschen gern unabhängig von einem Vermieter leben möchten, verweisen andere auf den Vorteil, keine Schulden zu haben und nicht für teure Reparaturen aufkommen zu müssen.
Die Autoren betonen, dass es sich um eine beispielhafte Rechnung handelt. Starke Wertsteigerungen bei Wohnungen und Häusern wie in den vergangenen Jahren haben Eigentümerinnen und Eigentümer noch stärker begünstigt, als in der Studie dargestellt. Auf der anderen Seite schneiden Menschen mit günstigen Altverträgen in teuren Städten bei der Frage Kaufen oder Mieten gut ab.
Aktien eignen sich auch für Vermögensaufbau
Expertinnen und Experten des Geldratgebers „Finanztipp“ verweisen ferner darauf, dass auch Mieterinnen und Mieter große finanzielle Chancen haben können: Wer sein Geld langfristig in renditestarke Anlagen wie Aktien anlege, „kann auch als Mieter langfristig Vermögen aufbauen, in manchen Szenarien sogar ein höheres als beim Immobilienkauf“, schreiben sie.
Für Käuferinnen und Käufer hängt viel von der Zinsentwicklung ab. „Es ist schwierig, den rapiden Anstieg der Bauzinsen fortzuschreiben“, meint IW-Experte Voigtländer. So könne sich die Inflation auf hohem Niveau einpendeln. Expertinnen und Experten der FMH-Finanzberatung erwarteten indes, dass die Hypothekenzinsen für zehnjährige Finanzierungen schon in den Sommermonaten auf drei Prozent steigen. Ein Ende des Aufwärtstrends sei nicht in Sicht, schrieben sie jüngst – mit schmerzhaften Folgen für Immobilienkäuferinnen und Immobilienkäufer: „Zinssätze von vier Prozent in diesem Jahr sind keine Schwarzmalerei, sondern sehr realistisch.“
RND/dpa