Barrierefreie Stadtplanung: auf dem Laufband durch die City
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Barrierefrei: Blick in die Fußgängerzone der Hansestadt Warburg.
© Quelle: Hansestadt Warburg
Wer sich auf den sogenannten Laufbändern bewegt, hat freie Bahn: Die 1,20 Meter breiten, hell gepflasterten Streifen ziehen sich durch die kleine nordrhein-westfälische Stadt Warburg. Auf ihnen dürfen keine Autos parken, keine Stühle stehen, keine Werbeschilder abgestellt werden. Sie sind komplett barrierefrei für Menschen mit Bewegungseinschränkungen und bieten Sehbehinderten eine gute Orientierung.
Im Gesamtkonzept für die Umgestaltung des öffentlichen Raumes spielen die Laufbänder eine zentrale Rolle. Mit Fördermitteln von Bund und Land wurden in Warburg innerhalb von acht Jahren mehrere Straßen und zwei Plätze barrierefrei umgebaut. Höhenunterschiede, Unebenheiten und Stolperfallen wurden beseitigt, Verkehrsflächen klar gegliedert. Außerdem wurden taktile Leitelemente an Kreuzungen und Übergängen angebracht. Mülleimer und Bänke reichen nun geschlossen bis zum Boden, damit sie von Blindenstöcken ertastet werden können.
Herausforderung Denkmalschutz
Ziel sei es gewesen, eine bessere Nutzbarkeit des öffentlichen Raumes für alle Bevölkerungsgruppen zu erreichen – für Eltern mit Kinderwagen ebenso wie für Senioren und Rollstuhlfahrer, erklärt Bürgermeister Tobias Scherf. „Das Thema Barrierefreiheit ist ein Aspekt, der langfristig auch den Einzelhandel stärkt und den Leerstand in Innenstadtlagen vermeidet.“ Eine besondere Herausforderung sei es gewesen, die Umgestaltung des historischen Stadtkerns in Einklang mit dem Denkmalschutz zu bringen.
Vor einer vergleichbaren Aufgabe steht die Stadt Regensburg. Normalerweise werden dort Normen und Regelungen für Barrierefreiheit beachtet, die unter anderem in der Bayerischen Bauordnung sowie im Leitfaden „Bayern barrierefrei 2023“ stehen, erklärt Sprecherin Verena Bengler. In der Altstadt mit ihren rund 1.000 Einzeldenkmälern könne allerdings nicht immer regelkonform geplant werden. „Dort müssen ortsspezifische Lösungen gefunden werden“, betont sie.
Niveaugleicher Natursteinbelag
Die Stadt hat jedoch grundsätzliche Gestaltungsprinzipien entwickelt: Gassen und Straßen erhalten nach und nach einen niveaugleichen Natursteinbelag. Das Pflaster wird mit gebundenen Fugen verlegt, ist eben und sandgestrahlt, damit es eine leichte Profilierung besitzt. „Hierdurch wird eine Gehfreundlichkeit für alle Nutzergruppen, auch und gerade für Mobilitätseingeschränkte, erreicht“, erklärt Bengler.
Vorhandene Stufen an Haus- und Geschäftseingängen sowie öffentlichen Gebäuden werden zurückgebaut. Als Orientierungshilfe für Sehbehinderte dient eine fast durchgängige Entwässerungsrinne, die sich durch ein großformatiges Pflaster und farblichen Kontrast vom übrigen flächigen Belag abhebt.
In Regensburg ging man aber noch einen Schritt weiter: Man fasste alle Information zum Thema Inklusion in der Stadt in einer Broschüre zusammen. Wo finde ich eine für Rollstuhlfahrer geeignete Toilette? Wo erhalte ich Informationen in Blindenschrift? Wo finde ich jemanden, der sich mit mir in Gebärdensprache unterhalten kann? In dem Wegweiser findet man unter anderem einen Stadtplan, auf dem verzeichnet ist, wie geeignet die jeweiligen Straßenbeläge für mobilitätseingeschränkte Menschen sind. Sehenswürdigkeiten, öffentliche Gebäude, Kirchen, kulturelle Einrichtungen und Freizeitangebote sind mit Piktogrammen versehen, die erklären, wer die Angebote nutzen kann, beziehungsweise für wen sie nicht geeignet sind.
Ein neues Quartier in Altona
Inklusion im Bestand zu erreichen ist eine große Herausforderung. Das gilt aber auch für die inklusive Planung eines ganzen Quartiers: Im Hamburger Bezirk Altona wird auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs bis 2024 das Projekt „Mitte Altona“ mit rund 3500 Wohnungen realisiert. Unter der Leitung der evangelischen Stiftung Alsterdorf wurde frühzeitig eine Beteiligung mit verschiedenen Interessengruppen und Experten in die Wege geleitet.
„Wenn wir als Gesellschaft wollen, dass auch in neuen innerstädtischen Quartieren eine gemischte Bewohnerschaft lebt, dann müssen deren Ansprüche und Bedarfe von Anfang an mitgedacht werden“, sagt Hanne Stiefvater, Vorstand der Stiftung. In einer Broschüre wird ein inklusiver Stadtteil folgendermaßen definiert: „Die Bedingungen sind so gestaltet, dass jeder Mensch am Leben teilnehmen kann, unabhängig von seinen individuellen Fähigkeiten, seiner körperlichen Verfassung, seiner sozialen oder kulturellen Herkunft, Geschlecht, sexueller Orientierung oder Alter.“
Verschiedene Gemeinschaften und Baugruppen fanden sich zusammen: deutsche und türkische Senioren ebenso wie blinde, sehbehinderte und sehende Menschen. Die Baugemeinschaft „Flickwerk“ plante ein Gebäude unter anderem für Bewohner mit und ohne Behinderung, für Wohngemeinschaften und Singles, für Geflüchtete sowie verschiedene Generationen.
Vieles wurde im Labor getestet
Lea Gies, Koordinatorin des Beteiligungsprozesses, berichtet, dass wie in einem Labor vieles ausprobiert und getestet worden sei – unter anderem passende Beläge für Wege und Straßen. Diese wurden weitgehend flach gehalten, bis auf niedrige Bordsteinkanten, die Blinden als Orientierung dienen, aber für Rollstuhlfahrer kein Hindernis darstellen.
Schulen und Kitas sind barrierefrei zu erreichen, die befestigten Wege im kleinen Quartierspark führen teilweise bis in den Sandkasten auf dem inklusiven Spielplatz hinein. Es gibt mancherorts besonderen Schallschutz, Informationen in leichter Sprache und in verschiedenen Übersetzungen sowie eine Mobilitätsstation unter anderem mit einer Fahrradrikscha für Rollstühle.